WIRTSCHAFTSSPIEGEL – Ausgabe 1/2023

Wirtschaft & Gesundheit 44 Foto: DELF ZEH pictures Um eines vorwegzunehmen: Chirurgen haben in den vergangenen Jahrzehnten auch viel von Managern gelernt. Die Arbeitswelt in einer modernen Klinik befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess. Eine Wortmeldung des Herzchirurgen Dr. Thomas Kuntze. Was können Manager von Chirurgen lernen? Beide müssen komplexe Probleme lösen Inzwischen wird von einem Arzt, insbesondere in leitender Position, nicht nur fachliche Kompetenz auf dem aktuellsten Wissensstand, praktische Fertigkeiten und Routine in der ärztlichen Tätigkeit so wie einfühlsamer Umgang mit den Patienten erwartet. Erforderlich sind auch Organisationstalent und Führungsqualitäten. In den über 30 Jahren, in denen ich inzwischen als Herzchirurg arbeite, hat sich so vieles verändert – es sind neue interventionelle Verfahren und OPTechniken entstanden und es sind viele innovative Medizinprodukte entwickelt worden, die in und am Patienten eingesetzt werden können. Diese versetzen uns in die Lage, heute mehrfach erkrankte Patienten zu operieren und ihnen damit zu einer guten Lebensqualität zu verhelfen. Diese neuen operativen Therapien sind das Ergebnis von fachlich fundiertem analytischem Denken, Kreativität und auch Flexibilität. Sich nicht mit dem Status quo zufrieden zu geben, nach neuen Ansätzen zu suchen, das sind Voraussetzungen für Weiterentwicklungen. Hier unterscheidet sich die Medizin nicht grundsätzlich von anderen Bereichen. Dieser Umstand trifft auch auf Hierarchien zu. Früher gab es in den Unternehmensetagen strenge Hierarchien, die eigentlich nur von den Hierarchien in den Kliniken getoppt wurden. Dass der fachlich Qualifizierteste und Erfahrenste auch heute viele Entscheidungen treffen muss, dürfte zwar Konsens sein, doch die Art und Weise, wie wir heute im Team arbeiten, ist stärker von der Vernetzung, der Interdisziplinarität und Interprofessionalität geprägt. Wir können einander vertrauen, weil das Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen und damit auch seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen einen hohen Wert für die Gesundheit unserer Patienten haben. Vertrauen zu haben und der Kunst des Miteinanders einen großen Raum zu geben, Verantwortung zu übertragen, das sind für mich im OP, aber auch in der gesamten Behandlung und Betreuung unserer Patienten hohe Güter. Die Verantwortung jedes Einzelnen wächst mit steigender Komplexität. Und nur wenn eine gute Atmosphäre im gesamten Team herrscht, können wir gemeinsam das Beste für unsere Patienten leisten. Dieses Bewusstsein immer wieder auch zu schärfen, ist herausfordernd, aber zwingend. Viele einzelne Faktoren entscheiden über den Erfolg, entscheiden über die Behandlungsqualität und letztlich die Lebensqualität unserer Patienten. Das beginnt mit einer guten Kooperation mit den Fach- und Hausärzten und der Vernetzung aller diagnostischen Möglichkeiten und der gemeinsamen Behandlungsplanung. Das betrifft die Organisation in der Klinik, in den Sekretariaten und am Empfang und gute und strukturierte Kommunikation mit den Patienten. Und es geht weiter: Was wäre ein guter Operateur ohne assistierende Kolleginnen oder Kollegen, ohne OPSchwestern und -Pfleger, Kardiotechniker und medizinisch-technische Assistentinnen, ja selbst ohne die Servicekräfte oder die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Beschaffung? Die Konzentration auf die jeweiligen Aufgaben, der Blick auf Unvorhersehbares, schnelle und durchdachte Lösungen für den Ernstfall, vorausschauendes Handeln – all dies dürfen unsere Patienten erwarten. Dazu gehört auch die ständige Qualitätskontrolle, die kritische Analyse unsere eigenen Ergebnisse im gesamten Team und daraus folgend die ständige Verbesserung der Strukturen und Prozesse in der Behandlung unserer Patienten. Denn sie schenken uns Vertrauen, vertrauen sich uns an. Sich darüber immer im Klaren zu sein, warum man das tut, was man tut und sich seiner und der Verantwortung aller immer bewusst zu sein, ist vielleicht eine Maxime, die berufsübergreifend gelten könnte. (tk) Dr. Thomas Kuntze ist Chefarzt der Klinik für Herzchirurgie im Herz- zentrum der Zentralklinik Bad Berka und gehört europaweit zu den führenden Herzklappenspezialisten.

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